Müde Weihnachten
Ich bin zu müde für Weihnachten. Das Jahr dümpelte streckenweise unglaublich zäh dahin, um gegen Ende noch einmal richtig Fahrt aufzunehmen.
- Nein, ich erwarte nichts.
- Ich will nichts.
- Mir geht es gut.
- Mir fallen die Augen zu.
Endlich ein paar ruhige Tage. Die Raunächte stehen bevor. Irgendwie
kommt immer ein seltsames Gefühl bei mir auf, wenn ich an die Legenden der
wilden Geisterjagd in dieser Zeit denke.
Gestern, als ich während der Inventur durch die Fabrik lief,
kam zum ersten Mal so etwas wie ein bisschen „Friede“ auf. Es war sehr leise.
Alle, die noch da waren putzten, oder strichen irgend etwas. Der Lärm der Produktion war verstummt. Eine
kleine Gruppe sah sich an, was von dem Jahr übrig war. Eine seltsame Ruhe breitete
sich aus.
Gegen Mittag leerte sich die Firma. Alle verabschiedeten
sich bis zum nächsten Jahr. Die Inventurarbeiten gingen zu Ende. Ich würde noch
bis in die Nacht hinein buchen müssen. Aber dann. Dann konnte Weihnachten
beginnen.
Und jetzt sitze ich am Heiligen Abend vor dem PC und erzähle
diese Geschichte. Die Geschichte meiner Gefühle und meiner Müdigkeit. Und ich
bin wie immer am Heiligen Abend gespannt, was daraus wohl werden wird.
Irgendwie traue ich diesem Tag etwas Besonderes zu. Das,
was hinter mir liegt, verschwindet in der Erinnerung. Die Dinge, die ganz
wichtig waren, verblassen. Das Weihnachtswunder kommt in den Blick.
Das, was nicht erledigt werden konnte, bleibt jetzt einfach
liegen. Nicht, weil ich es so will, sondern, weil es nicht anders geht. Ich
muss zur Ruhe kommen.
Fast trotzig rebelliert es in mir. Die Gedanken, die ich mir schon den ganzen Tag mache, wollen Neues beginnen. Gestalten. Bauen. Umtreiben.
- Nichts von dem ist möglich. — Ich habe Zeit.
Es legt sich so etwas, wie eine Decke über das alles.
Wahrscheinlich wollen wir weiße Weihnachten, weil der Schnee so vieles zudeckt
und schön aussehen lässt, auch wenn es hässlich und dreckig ist.
Eigentlich weiß ich es ja. Weihnachten hat nichts mit
Romantik, Besinnlichkeit und Wohlstand zu tun. Aber ein Satz, der über dem heutigen
Tag steht, zeigt die Richtung.
„Er wird
Frieden gebieten den Völkern“ Sacharja 9,10
Das hat mir heute die Augen schon aufgerissen. Der Friede wird
durch Weihnachten nicht einfach gebracht. Er wird geboten. Wer kann das? Ein
süßes Baby in ärmsten Verhältnissen geboren und dort zum Mann herangereift?
Vielleicht muss ich mir den Frieden gebieten lassen. So, wie
ich jetzt zur Ruhe kommen muss, weil es nicht anders geht. Aber werden sich die
Völker so einfach Frieden gebieten lassen?
Größenwahn, Machtgier und Mordlust greifen um sich, während
die Korruption das klare Denken zerfrisst und gute Entscheidungen unmöglich
macht. Lassen sich Despoten und Superreiche Frieden gebieten?
- Lasse ich mir Frieden gebieten?
- Lasse ich mir Frieden bieten?
Ich ahne es. Dieses Kind. Einer, der Frieden gebieten und
das auch durchsetzen kann und wird. Das ist eine Nummer zu groß für mich. Wie
kann das klappen?
So jemand müsste von allen anerkannt gerecht sein. Er müsste
die Gerechtigkeit durchsetzen. Die Mächtigen müssten Interesse daran gewinnen,
dies ebenfalls umzusetzen. Aber die Losung ist eindeutig. Er wird es tun und es
wird umgesetzt werden. Die Arbeitsruhe an Weihnachten ist jedenfalls nicht der
Frieden — und wenn, dann ein Fauler.
Da fallen mir die seltsamen Geisterzüge der Raunächte wieder
ein. Auch sie werden ihr Unwesen nicht weiter treiben können. Er wird Frieden
gebieten. Er wird die dunklen Mächte ebenfalls befrieden. Sie können nicht mehr
wirken.
Was für eine Kraft?! Was für eine Macht und was für eine Art
mit Widersachern umzugehen wird uns durch das Kind in der Krippe präsentiert?
Da bleibt nur Staunen. Da wird es automatisch ruhig, weil
die Kämpfe enden. Weil Friede gelebt werden kann. Auf allen Ebenen.
Ich kann mich jetzt auf Weihnachten freuen. Er wird auch mir
Frieden gebieten. Und ich merke, während ich dies schreibe, da kehrt er auch
ein.
So, und jetzt wünsche ich uns allen, dass sich nicht
bleierne Müdigkeit über diese Tage legt, sondern wir den Frieden, den Jesus
anordnet, in unserem Verantwortungsbereich auch umsetzen. Er schafft die
Voraussetzungen dafür.
Frohe und gesegnete Weihnachten!
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