Jesus antwortete: »Ich sage euch: Wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.« (Lukas 19,40; Monatsspruch März 2021)
Unser Monatsspruch führt uns direkt in eine Auseinandersetzung von Jesus mit den Pharisäern während des Einzugs in Jerusalem. Er ist die Antwort auf die Forderung der Pharisäer: „Rabbi, weise deine Jünger zurecht!“
Wir befinden uns in Jerusalem kurz vor dem Passahfest. Alle sind aufgeregt. Zehntausende Pilger sind in Jerusalem bereits eingetroffen oder auf dem Weg dorthin. Die römische Besatzungsmacht hat große Kräfte in Jerusalem zusammengezogen. Auch Pontius Pilatus ist aus seiner Residenz im warmen Caesarea Maritima ins ungemütliche Gebirge nach Jerusalem gekommen, um im Falle eines Aufruhrs zur Stelle zu sein. Die Jerusalemer Geistlichkeit hatte, ebenso wenig wie die Römer, ein Interesse an einem Aufstand. Man hatte sich mit den Besatzern arrangiert. Die große Frage, die sich alle stellen ist: „Wird es dieses Jahr ein friedliches Passahfest geben?“ Im Jahr zuvor gab es eine blutige Auseinandersetzung mit den Römern. Und genau in diese aufgeladene Stimmung platzt die Demo der Jesusanhänger. Man ist „not amused“. Niemand weiß, wie lange es dauert, bis die Römer von der Demo Wind bekommen und was passieren wird, wenn dem so ist. Die Rufe der Pharisäer aus der Menge können auch vor diesem Hintergrund verstanden werden. Man war nicht unbedingt gegen Jesus. Aber man wollte ein ruhiges Fest erleben. Aber Jesus sieht es anders. Er zieht in seine Stadt. Gott selbst hat sie erwählt. Sie war auf dem Berg Moria erbaut, auf dem Abraham Isaak opfern wollte. Damals verhinderte Gott Isaaks Tod. In diesem Jahr wird er selbst seinen Sohn an dieser Stelle opfern. Es wird also blutig werden. Nur anders als gedacht.
Mit Jesus zieht Gott selbst in diese Stadt ein. Gott wollte schon immer der einzige König des Volkes Israel sein. Die Jünger weisen lautstark auf diese Tatsache hin. Es sieht aber nicht so aus, als wäre dies ein König, der die Römer vertreiben könnte. Er ist sicher nur ein Hochstapler. Fake pur. Sein Reittier, ein Lasttier, ist so gar nicht königlich. Und es sieht auch gar nicht so aus, als zöge der Messias ein. Die Pharisäer fordern also aus ihrer Sicht zu Recht, dass mit dem Quatsch aufgehört wird, bevor es ernst wird. – Doch es ist nicht die Zeit zu schweigen. Alle sollen erfahren, dass der höchste König in die Stadt einzieht. Und weil Gott selbst hinter der Sache steht, würden selbst Steine, die uns nicht als lautstark und lebendig bekannt sind, diese Tatsache in die Welt hinausschreien. Das gellt förmlich in den Ohren der frommen Elite. Wäre es passiert, dann wäre es ganz bestimmt auch gruselig gewesen. Die Tatsache, dass der König in sein Eigentum kommt, kann also gar nicht verschwiegen werden.
Aber was hat mir dieser Text heute zu sagen? Wir Christen sehen uns ja auch in der Tradition des Gottesvolkes. Jeder von uns ist ein Tempel des Herrn. Ein Tempel, der, mindestens was mich angeht, nicht immer im besten Zustand ist. Das ist nicht so ohne Weiteres vorzeigbar. Was, wenn der Hausherr unvermittelt käme und in diesen Tempel einzöge? Und wenn dies noch nicht einmal heimlich geschähe, sondern das ganze Umfeld es mitbekäme? Der Reflex wäre doch da. Was willst Du hier? Nicht so laut! Muss ja nicht gleich jeder mitbekommen, dass Du da bist. Dabei war den Pharisäern, aber auch den Jüngern seinerzeit, die Mission Jesu nicht klar. Es ging nicht darum, Öl ins Feuer zu gießen und die Menschen ins Verderben zu stürzen. Es ging nicht darum, die Römer zu bekriegen. Sondern es ging damals darum, den Zugang zu Gott richtig frei zu machen. Sie ahnten nicht, dass Jesus das vollendete Passahlamm war, das endgültige Opfer. Derjenige, der die Kraft der Sünde brechen und aus dem Tod auferstehen würde.
Auch falls Jesus heute lautstark bei mir einzieht, geht es darum, den Weg frei zu machen. Er möchte den Tempel wieder reinigen, das Zerstörte wieder aufbauen und den Weg zum Allerheiligsten, der Gegenwart Gottes, ebnen. Im Gegensatz zu den Jüngern damals ist es aus dem Zeugnis der Bibel heraus eigentlich klar. Aber trotzdem will ich es oft einfach nicht wahrhaben. Es mag sich sehr radikal anhören, wenn Jesus in die Nachfolge ruft. Mit allen Konsequenzen. Wenn er unsere Freundschaft sucht. Aber Jesus war auch radikal. Er liebt alle radikal. Das hat er sich alles kosten lassen. Die Herrlichkeit, die Annehmlichkeit der ständigen Gegenwart Gottes und schließlich das Leben. Ich möchte ihn nicht zum Schweigen bringen. Ich will es auch nicht von den Steinen hören. Ich will es selbst kapieren, dass Jesus in mir, als seinem Tempel, wohnen will.
Soweit meine Gedanken zum Monatsspruch. Ihr Christian-Michael Kleinau
Bildnachweis: Text: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart - Grafik: © GemeindebriefDruckerei
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