Ein grausames Spiel als Symptom
Ich finde, dass diese EM typisch war für unser Land. Wir wollten die ganze Welt belehren, wie man Gleichberechtigung richtig macht. Nach einer mit Glück überstandenen Vorrunde hielt man sich im Achtelfinale für die bessere Mannschaft. Wie immer. Die Statistik wurde bemüht. Ja man hatte demnach klar die besseren Chancen das Spiel zu gewinnen. Aber Pustekuchen. Man war physisch und mental eben nicht der Stärkere. Man hat sich mit Mittelmaß zufrieden gegeben. Immerhin nicht so, wie 2018, als die Mannschaft von vornherein nur nach Hause wollte und keinen Bock auf das Turnier hatte.
Hier ist mehr kaputt
Die Situation im Fußball ist für mich nur analog zur Situation in der Gesellschaft. Man ist mit sich selbst beschäftigt und sich selbst genug. Wer Leistung fordert ist böse. Unser Wohlstand soll bleiben, aber wir wollen nichts dafür tun.
Hauptsache von Freitag bis Sonntag ist Party. Das ganze bitte möglichst biologisch und klimaneutral. Die eigene Freiheit ist das Maß der Dinge. Der eigene Maßstab schon längst nicht mehr kalibriert. Da stimmt es grundsätzlich nicht. Wer was macht darf nicht vorpreschen. Er muss alle mitnehmen. Die EU ist uns da keine Hilfe. Sie bremst noch mehr, als wir es selbst schon tun.
Ja, und wenn es dann schiefgegangen ist, dann haben wir wenigstens einen Sündenbock. Aber der war in dem Fall nicht der Trainer alleine, sondern auch die, die es zugelassen haben, dass er noch Trainer war. Man hat wieder darauf vertraut, dass die Gescheiterten den Neuanfang selbst hinbringen. Das ist nicht nur im Fußball so, das ist ein deutsches Prinzip. Der Trainer war ja nicht schlecht, aber es gab einen Punkt, da war seine Zeit vorbei. Und der lag in der Vergangenheit.
Deutschland ist nicht schlecht, aber es war schon besser. Innovativer, ehrgeiziger, bissiger, exzellenter. Die Politik hat jahrelang verschlafen, dass diese Zeit vorbei ist. Jetzt schaut man zu, wie andere an uns vorbeiziehen und reibt sich verwundert die Augen. Wie konnte das passieren?
Das Prinzip der Gier
Ja, man war spitze, aber man dachte, dass man dies auch mit weniger Einsatz bleiben könnte. So fing man an zu sparen. An der Infrastruktur, an der Ausbildung. An den Grunddienstleistungen. Wasser, Strom und Verkehr. Die Wirtschaft würde es billiger und besser machen. Die Bahn ging an die Börse. Gewinnmaximierung stand von da an im Vordergrund. Heute ist deren Infrastruktur kaputt gespart, weil man schlicht die Instandhaltung vergessen hatte. Ganz zu schweigen vom Ersatz veralteten Materials. Kliniken wurden privatisiert und dann stand nicht mehr der Patient, sondern der Klinikgewinn im Vordergrund. Im öffentlichen Nahverkehr und bei der Müllabfuhr suchen Ausschreibungen nach Billiganbietern, die dann gerettet werden mussten und müssen. Müllwerker arbeiten unter unglaublich schlechten Bedingungen, seit die Müllabfuhr nicht mehr in kommunaler Hand ist können Sie oft vom Lohn nicht leben und stocken aus der Sozialkasse auf. War das ein Ziel? Gewinne, Gewinne, Gewinne sind das Ziel der privaten Infrastrukturbetreiber. Wie, die zustande kommen - das ist egal.
Macht der Staat alles besser?
Dass der Staat es besser macht ist aber kein Naturgesetz. Er hat sich von den Aufgaben entwöhnt und das Know-How längst verloren. Ich glaube, dass vieles nicht besser laufen würde, wenn man einfach alles wieder verstaatlicht, was man abgegeben hat. Ich glaube auch nicht, dass die Verstaatlichung von Wohnungskonzernen eine Lösung ist. Das ist lediglich Populismus. Wer Investoren enteignet, löst gerade an dieser Stelle kein Problem. Im Gegenteil. Die Wohnungsnot wird größer und das Klima giftiger werden. Der Staat als Investor hat aber einen Vorteil: Er muss keine Gewinne machen. Er kann im Idealfall kostengünstiger arbeiten, sich besser durchsetzen und gezielt fördern. Damit hätte er die Chance soziale Konflikte zu entschärfen.
Gibt es nochmal einen Ruck?
Ich glaube, wir sind sehr weit abgehängt und befinden uns auf der Verliererstraße. Deswegen blenden wir die Wirklichkeit gerne aus. Aber wenn wir uns unsere Situation eingestehen und ohne Filter darauf schauen. Wenn wir ehrlich Bilanz ziehen und mit offenen Karten spielen, auch den Bürgern gegenüber. Wenn wir Fehler zugeben und uns auch an unseren Gott wenden, der unser Land schon so gesegnet hat. Dann haben wir vielleicht eine Chance das Ruder herumzureißen.
Wenn wir junge Leute gut ausbilden und radikale Ausbildungsabbrecher nicht zu stellvertretenden Parteivorsitzenden - oder sogar noch mehr befördern. Dann gibt es eine Chance. Wir brauchen exzellent ausgebildete Leute in allen Berufen. Vor allem auch in der Politik und vor allem an den Parteispitzen. Leute, die das Land und nicht ihre eigenen Interessen im Blick haben. Aber die dürften so schwer zu finden sein, wie die Stecknadel im Heuhaufen. Und selbst wenn wir heute die Ausbildung auf Top-Niveau bringen würden, würde es Jahre dauern, bis wir wieder Anschluss gefunden haben. Der Tanker fährt schon zu lange in die falsche Richtung. Und wenn umgesteuert wird, dann erfolgt die Kurskorrektur trotzdem nur sehr langsam.
Sind Alternativen die Alternative?
Auch die alternativen radikalen Kräfte sind keine Alternative. Man rettet das Gemeinwesen nicht, indem man es zerstört. Man rettet etwas, indem man es saniert. Das ist hart, aber wenn man es geschafft hat auch hilfreich.
Also ich warte gespannt wo ich gebraucht werde, wenn wir uns als Land auf den Weg zurück machen.
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